begrüßte mich ein Freund bei meiner Ankunft in Freetown. Das stimmt, bis zu einem gewissen Grad mag ich es abenteuerlich. Meine Erlebnisse in Sierra Leone übertreffen meine Erwartung aber oft. Die Überfahrt vom Flughafen zur Hauptstadt mit dem Boot war zum Beispiel so ein Ereignis, auf das ich gerne verzichtet hätte. Eigentlich dauert die Überfahrt 20 Minuten mit dem Schnellboot, leider hat sich unser Kapitän im Dunkeln verfahren (trotz GPS) und wir sind über eine Stunde auf dem stockdunklen Wasser rumgetrieben bis man endlich aus der Ferne die Lichter von Freetown erkennen konnte. An diesem Abend gab es Strom und ich bin sehr froh, dass die vielen Lichter uns endlich Orientierung gaben. Einen Tag später wartete dann schon das nächste Abenteuer auf mich: Wir waren im Auto auf einer (meiner Meinung nach) unbefahrbaren und sehr schmalen Straße unterwegs (eigentlich gibt es hier keine Straße, die nicht befahrbaren wird), als der Boden unter uns wegsackte. Auf der einen Seite war eine Mauer, auf der anderen Seite ging es steil hinab. Nach fast zwei Stunden Steine schleppen hatten wir das Loch in der Straße „überbrückt“ und getreu dem Motto „Augen zu und durch“ fuhr mein Freund mit Vollgas drüber.
Insgesamt sind meine Aufenthalte ein ständiges Auf und Ab, ein Wechsel zwischen Extremen, oft unvorhersehbar. Nicht nur die äußeren Umstände sind für mich oft überraschend, sondern auch, wie schnell die Stimmung wechseln kann. Viele Sierra Leoner sind sehr emotional; Situationen eskalieren hier sehr schnell, man schreit sich an, andere Umstehende mischen sich ein und schnell streitet eine ganz Gruppe. Besonders schlimm ist es, wenn die Sierra Leoner Selbstjustiz betreiben, zum Beispiel bei Diebstählen oder Unfällen verursacht durch rücksichtsloses Fahren. Da die Polizei ohnehin fast nie da ist, wenn man sie braucht, übernehmen die Bürger die Bestrafung. Wer nur eine Tracht Prügel erhält, kommt glimpflich davon.
Andererseits muss man sich einfach mitfreuen, wenn die Sierra Leoner sich ausgelassen freuen. Das durfte ich erleben, als ich zum ersten Mal die neue Schule in Yam's Farm besucht habe. Alle Schüler standen winkend und singend an der Hauptstraße als wir anfuhren. Sie hatten ein Programm für mich vorbereitet und neben den Schülern waren auch viele Eltern gekommen. Anschließend habe ich die mitgebrachten Stofftiere, Puppen und Spielsachen an alle Kinder verteilt und die Freude der Kinder war überwältigend (anders kann man es nicht beschreibend). Ich konnte nur wenige Fotos machen, weil jeder mir mindestens einmal die Hand schütteln wollte, ich fortwährend eine Traube Kinder um mich und die Kleineren ständig auf dem Arm hatte, my apologies. Es war ein toller Moment!
Die neue Schule ist noch nicht in Beschlag genommen, weil sie erst in dieser Woche ihren „final touch“ bekommen hat, am Wochenende wird sie eingerichtet. Das Gebäude ist sehr schön, stabil, wasserdicht und es hat viele Fenster. Ich bin sehr stolz auf die Arbeiter, sie haben meine Erwartungen übertroffen und tolle Arbeit geleistet. Vor allem George, der das ganze koordiniert und geleitet hat, beeindruckt mich und ich glaube, es hat ihm Selbstbewusstsein gegeben, dass wir ihm so viel zugetraut haben. Da der Bau dieser Schule ja eigentlich nicht geplant war und wir ein deutlich größeres Bildungszentrum zum Ziel haben, möchten wir George gerne als Mitarbeiter einstellen. Er soll in der nächsten Zeit das Projekt in Sierra Leone offiziell registrieren, sich auf die Suche nach einem passenden Grundstück für das Zentrum machen und dann einen Bauplan machen.
Ein angemessenes Gehalt für ihn ist monatlich 60 Euro und 10 Euro für eine Krankenversicherung. Für unsere Verhältnisse in Deutschland ist das kaum Geld und wir würden uns sehr freuen, wenn sich ein oder mehrere Spender finden, die regelmäßig das Gehalt für George finanzieren. Er hat 8-jährige Zwillinge und mit einem regelmäßigen Einkommen wird auch sichergestellt, dass die beiden zur Schule gehen können. Auf Nachfrage gebe ich gerne noch nähere Informationen zu ihm und seiner Familie oder ich stelle einen persönlichen Kontakt her (das würde ihn sehr freuen).
„Meine Kuh ist kaputt gegangen.“ - „Kaputt gegangen?“ - „Ja, sie funktioniert nicht mehr. Und man kann sie nicht mehr reparieren.“
„Du stehst hier so alleine rum.“ - „Ja und?“ - „Ich liebe dich, willst du meine Freundin sein?“ - „Nein.“ - „Gibst du mir deine Handynummer, falls du es dir anders überlegst?“
„Woher kommst du?“ - „Aus Deutschland.“ - „Das kenn ich. Ihr habt diese große Mauer, die das Land in zwei Teile teilt.“ - „Die Mauer gibt es schon seit über 20 Jahren nicht mehr.“ - „Komisch, ich habe etwas dazu in den Nachrichten gehört. Bist du sicher?“
Herzliche Grüße
Hanna