in der sierra leonischen Kultur zu leben, die so anders ist als meine Herkunftskultur ist oft eine sehr große Herausforderung. Obwohl ich nicht zum ersten Mal in Sierra Leone bin und dieses Land auch nicht meine erste Auslandserfahrung war, hatte ich im Verlauf der letzten 14 Monate doch so manches Aha-Erlebnis, wie einflussreich die Kultur, in der wir aufwachsen, in vielen Makro- und Mikrobereichen des Lebens ist. Die Sprache, Architektur, Essgewohnheiten und Kleidungsstil sind einige der offensichtlichen Unterscheidungsmerkmale, doch Kultur greift noch viel tiefer, beeinflusst wie wir uns selbst und unsere Rolle in der Gesellschaft verstehen; worüber wir lachen und was wir als schön empfinden; wie wir schlafen und wofür wir uns schämen; die Symptome psychischer Krankheiten und wie wir körperlichen Schmerz empfinden; die Art und Weise, wie wir die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sehen; wie wir feiern und trauern; welche Situationen wir als bedrohlich wahrnehmen und wie wir Traumata verarbeiten; was wir als gerecht bzw ungerecht empfinden und wie wir Konflikte bewältigen. Ich bin der Überzeugung, dass Kulturen uns zwar beeinflussen, aber nicht bestimmen, wir Menschen Handlungsfreiräume und die Möglichkeit zu Veränderung haben und gerade aus dieser Perspektive gesehen, war es für mich ein sehr anstrengendes Jahr, in dem ich viele meiner Ansichten überdenken und hinterfragen musste, mich häufig verletzt und unverstanden gefühlt habe, aber auch die Chance hatte, mich zu verändern und Freundschaften aufzubauen, die sich über die räumliche Distanz nie entwickelt hätten. Natürlich ging es nicht nur mir so, auch die Sierra Leoner um mich herum haben unter meiner Andersartigkeit gelitten, vor allem unter meiner Direktheit, mit der ich - wahrscheinlich noch viel öfter als ich es überhaupt realisiert habe - Leute vor den Kopf gestoßen habe.
Als ich mich 2014 dafür entschied, für längere Zeit nach Sierra Leone zu gehen, war vorerst ein Jahr geplant. Dieses habe ich inzwischen verlängert, doch mit dem Wissen, dass es nicht noch ein ganzes Jahr werden würde und so werde ich im Mai das Land verlassen, für kurze Zeit in Deutschland sein um dann ans andere Ende der Welt, nach Australien, zu fliegen. Ich möchte dort ein Studium im Bereich Entwicklungsarbeit anschließen.
Auch wenn es ein hartes Jahr war - ich bin sehr dankbar für die vielen Erfahrungen, die ich machen durfte und die ich nie gemacht hätte, wenn ich nicht hier in dem engen Kontakt mit den Einheimischen hier gelebt hätte. Meine Kontakte zu den Sierra Leonern und die Projekte mit dem YDP und Salone Dreams sind mir sehr wichtig und werden weiterhin bestehen – nur dass ich sie, wie auch schon in den Jahren zuvor, aus der Distanz begleiten und in naher Zukunft wieder nur für kürzere Besuche im Land sein werde. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten viel daran gearbeitet, Lücken zu schließen, Projekte abzuschließen oder so zu übergeben, dass sie in guten Händen sind.
Ich freue mich besonders, dass meine Schwester mich Ende April und zum Abschluss meiner Zeit noch einmal besucht – und wie immer wenn Besuch kommt, werden ihre Koffer mit Geschenken und all den Sachen gefüllt, die man hier nur schwerlich bekommt. Sie wird viele Bücher mitbringen, die wir unserer Bibliothek hinzufügen können. Um das Kontakthalten über die Kontinente zu vereinfachen und günstiger zu halten, würde ich gerne drei Smartphones und ein Laptop verschenken.
Habt ihr ein gebrauchtes, aber noch gut funktionierendes Smartphone oder Laptop, das ihr abgeben könntet?
Die Patenkinder würden sich auch alle sehr über Fotos und/oder einen Brief ihrer Paten freuen.
Wenn ihr meiner Schwester etwas mitgeben möchtet, antwortet mir auf diese Email.
Mit vielen Grüßen aus dem heute 37-Grad-heißen Freetown,
Hanna
P.S. Oben seht ihr ein Foto vom höchsten Berg Westafrikass, dem Bintumani, den ich über die Osterfeiertage erklettert habe.