Newsletter Nr. 31





Liebe Freunde,

nach stressigen letzten Wochen in Sierra Leone bin ich wieder in Deutschland angekommen und möchte in diesem Newsletter berichten, wie es mit unseren Projekten weitergeht und im zweiten Teil einige persönliche Erfahrungen.

Salone Dreams hat mit dem Bau der Grundschule in Yam's Farm und der Unterstützung einiger mir am Herzen liegenden Person angefangen. Inzwischen sind wir gewachsen, zum einen durch den Zusammenschluss mit dem Youth Development Project (YDP) und die Förderung von 20 Ebolawaisen und ihren Versorgern. Bis auf die letzten 15 Monate war ich immer nur zu kürzeren Aufenthalten in Sierra Leone und selbst im vergangenen Jahr habe ich zwar aktiv an den einzelnen Projekten mitgewirkt, aber nie die Führung in der Projektimplementierung übernommen. So gab es zwar vor meinem Abflug noch einiges zu regeln und zu übergeben, aber für keinen der Sierra Leone/rin war seine oder ihre Rolle neu und ich hatte schon vor der Abreise ein gutes Gefühl, dass alles in guten Händen ist und die Projekte auch ohne meine Anwesenheit weiterlaufen können.

Ich werde weiterhin mit allen in engem Kontakt stehen und auch euch mit Newslettern auf dem Laufenden halten, außerdem plane ich wie bisher regelmäßig zu Besuchen nach Westafrika zu fliegen.


Im Folgenden möchte ich euch unser Team in Sierra Leone vorstellen:

Francis ist der Leiter des YDP und kennt es seit seiner Jugend, als er selbst ein Teilnehmer in den Workshops war. Es ist eine sehr bereichernde Partnerschaft mit ihm und dem YDP im Hintergrund. In diesem Jahr konnten wir einen Spielplatz fertigstellen und sind dabei, das Schulgebäude in Kissy Town zu vergrößern. Auch unsere Bibliothek dort ist schon deutlich bücherreicher geworden!

George arbeitet inzwischen als Trainer und Ausbilder im YDP in Ogo Farm mit Teenagern und jungen Frauen, denen er das Häkeln und das Anfertigen von Schmuck beibringt. Auch handwerklich bringt er sich immer wieder dort ein.

John ist der Schulleiter in unserer Bambusschule in Yam's Farm. Neben einem neuen Toilettengebäude hat die Schule vor zwei Monaten verschiedene Samen (Reis, Mais, Erdnüsse) erhalten, die angebaut und verkauft werden, um die Bezahlung der Lehrer besser sicherstellen zu können.

Phatima ist Sozialarbeiterin und betreut seit jeher die Kinder, die in Folge der Ebolaepidemie zu Waisen geworden sind. Sie ist mit viel Einsatz und Engagement dabei und kümmert sich wirklich toll um die Belange der Kinder.

Titus studiert Buchhaltung und dokumentiert die Ausgabe der Gelder, scannt und emailt mir Rechnungen, die wir für die Steuererklärung benötigen.

Mit Sorie hatten wir kurz vor der Ebolaepidemie ein Sportprogramm gestartet, das neben der sportlichen Aktivität einen starken sozialen Charakter hatte und sich an Kinder und Jugendliche aus sehr armen Verhältnissen richtet. Während der Ebolazeit und des deswegen eingeführten Versammlungsverbots musste es pausieren und wurde seither auch noch nicht wieder aufgenommen, da Sorie durch eine Ausbildung zeitlich eingeschränkt war. Gerne wollen wir das Sportprogramm wieder aufnehmen, weil es immer großen Anklang unter den Teilnehmern gefunden hat.


Seit inzwischen fast drei Wochen bin ich nun wieder in Deutschland und obgleich ich mein Heimatland sehr gut kenne, ist das Ankommen nach einer längeren Zeit in Sierra Leone jedes Mal eine Explosion von vielen 'neubekannten' Eindrücken. Meine Sinne sind deutlich geschärft und nehmen viele Dinge wahr, die mir früher (und damit meine ich die Zeit, in der ich noch nicht erlebt hatte, wie anders das Leben doch sein kann) nie aufgefallen sind. Die Kontraste zwischen den Lebenswelten beider Länder sind zu stark, als dass ich mich übergangslos wieder eingliedern könnte. Weil ich das System kenne und ja optisch und sprachlich auch nicht mehr auffalle, ist der Übergang für mein Umfeld leicht, doch für mich ist diese Zeit besonders und ich genieße es, Alltäglichkeiten genießen zu können, bevor sie auch für mich wieder Normalität und Selbstverständlichkeit werden.

Nach den ersten Tagen mit Strom rund um die Uhr, in denen ich mich immer wieder dabei erwischt habe, wie ich die Ladeanzeige meiner Powerbank kontrolliert habe (wie oft kann ich mein Handy noch laden bevor auch sie leer ist?), morgens nach dem Aufstehen direkt zum Wasserkocher gerannt bin (niemals morgens irgendwelchen „unnötigen“ Tätigkeiten nachgehen, wenn Strom da ist) und manchmal kontrollierend die Lichtschalter gedrückt habe, ist die Stromversorgung inzwischen schon kaum mehr einen Gedanken wert, doch in vielen anderen Bereichen wird mir der Unterschied noch bewusst und ich bin unbeschreiblich dankbar für sauberes und ausreichend Wasser (vor allem warmes unter der Dusche); Stille; das Gefühl von Sicherheit, selbst wenn ich als Frau abends oder nachts alleine unterwegs bin; geteerte, saubere Straßen mit einer Verkehrsordnung, an die sich die meisten zumindest grob halten; Waschmaschinen und sauber riechende Wäsche; die Vielfalt der Nahrungsmittel; kein (oder kaum) Ungeziefer in den Häusern; Pünktlichkeit und Verlässlichkeit bei Absprachen; dass ich nicht ständig angequatscht und angemacht werde aufgrund meiner Hautfarbe; dass ich lange Spaziergänge machen und gut schlafen kann und mehr.

Wie hast du es in Sierra Leone ausgehalten, wenn du so viel vermisst hast, werde ich manchmal gefragt, wenn ich über meine Ankommenserlebnisse in der ersten Welt erzähle. Es ist oft nicht einfach, den anstrengenden Alltag in Sierra Leone zu bestreiten, aber ich vermisse nichts, wenn ich dort bin und ich habe auch kein Heimweh. Ich weiß inzwischen, was mich erwartet und dass es hart sein kann und mit diesem Wissen um die Umstände kann ich mich gut auf Situationen einstellen. Schwierigkeiten bereitet es mir eher, meine Pläne und Vorhaben nicht meinem Takt, sondern dem Takt der Lebensumstände anzupassen und mich dabei nicht zu ärgern. Ich erinnere mich an so manchen Samstag oder Abend, an dem ich extra zu Hause blieb, weil ich einen Newsletter oder etwas anderes schreiben wollte und dann gab es keinen Strom, mit dem ich meine Laptopbatterie hätte aufladen können. Ich musste oft mit meinem Frust kämpfen, wenn etwas nicht so klappte, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber ich habe meine Frustrationstoleranz im letzten Jahr enorm verbessert!

Bei all den Unannehmlichkeiten und Beschwerlichkeiten bleiben die Sierra Leoner ein herzliches und liebenswertes Volk, das mich sehr warm verabschiedet hat. Neben einer symbolischen sierra leonischen Staatsangehörigkeit habe ich einen ganzen Koffer voller Geschenke bekommen auf fünf Abschiedsparties! Dort ist es Tradition, die scheidende Person mit Sketschen und persönlichen Geschichten zu verabschieden – diese Rückblicke haben mir gefallen und es hat mich wirklich beeindruckt, was die Leute über mich gesagt haben, von welchen gemeinsamen Erlebnissen sie berichtet haben und an was sie sich erinnern werden, wenn sie an mich denken.

So richtig ankommen werde ich in Deutschland diesmal auch nicht, weil es Ende des Monats schon nach Australien geht und ich freue mich schon sehr auf die brandneuen Erfahrungen und Erlebnisse dort.


Bis zum nächsten Newsletter - aus Downunder dann!
Hanna