nachdem ich mehrmals gefragt wurde, wie denn die Situation bezüglich des Coronavirus in Sierra Leone aussieht, möchte ich heute einen kleinen Überblick geben.
Seit letzter Woche sind in Sierra Leone vier Infektionen bekannt – dass es „erst“ so wenige Fälle gibt und diese spät im Vergleich zu den umliegenden Ländern und weltweit auftreten ist einerseits den umfangreichen Präventionsmaßnahmen anzurechnen, die die Regierung bereits seit Mitte Februar umgesetzt hat. Zum Beispiel mussten sich seit dem 14. Februar alle Eingeflogenen zwei Wochen in Selbstisolation begeben und wurden zum Ende der Zeit auf eine Infektion untersucht. So wurden übrigens zwei der Fälle festgestellt, die beide keine Symptome hatten und aus der Quarantäne entlassen werden sollten. Seit etwa zwei Wochen wurde der gesamte Flugverkehr gestoppt und auch die Landesgrenzen zu den Nachbarländern werden stark kontrolliert. Auch Großveranstaltung inklusive religiöser Zusammenkünfte wurden schon vor Auftreten des ersten Falles verboten.
Andererseits ist einer der neuen Fälle leider eine Ärztin, die keinerlei Kontakt zu einem der anderen Fälle hatte. Deshalb ist zu vermuten, dass die Infektionsrate bereits höher ist. Nun sollen unseren Ländern ähnliche Kontakt- und Ausgangssperren durchgeführt werden, beginnend mit einer dreitätigen Sit-at-home-Sperre, in der Haus-zu-Haus-Besuche durchgeführt werden. Diese dienen der Aufklärung (denn mit einer Analphabetenquote von über 50 % haben viele Bürger nur bedingt Zugang zu Informationen und auch der Besitz eines Radios oder Fernsehers ist nicht vorauszusetzen), als auch des Contact Tracing (Kontakte der bekannten Fälle werden nachverfolgt und isoliert, anhand von Körpertemperaturmessungen finden Screenings auf potentielle Krankheitsfälle statt). Sierra Leone hat sehr viel aus der Zeit der Ebola-Epidemie gelernt und wendet dies an. Dennoch ist die Situation beängstigend.
1) Länger als drei Tage lässt sich eine Ausgangssperre in einem solchen Land nicht durchführen. Während meiner Zeit in der Ebola-Epidemie wurde dies zweimal durchgeführt und der dritte Tag war schon immer grenzwertig, denn viele Menschen haben keine Wasserpumpe im Haus und können kaum Wasservorräte lagern. Außerdem leben die meisten von der Hand in den Mund – das, was sie am Tag in kleinen Jobs verdienen, bestimmt die Mahlzeit am Abend. Nur ein kleiner Anteil der Bevölkerung kann es sich leisten, vorzusorgen und die dreitägigen Lockdowns wurden auch „Tage des Hungers“ benannt. Die Befürchtung vieler lokaler und ausländischer Freunde, dass bei längeren Ausgangssperren mehr Leute an Hunger als an Corona sterben würden, habe ich auch.
2) Die Menschen haben große Angst und sind zum Teil panisch. Viele Menschen in Sierra Leone fühlen sich angesichts der nicht einzuschätzenden Bedrohung in einer aussichtslosen Lage. Zum einen sind die Wunden der langen Ebola-Epidemie noch sehr frisch, unsere Waisen zum Beispiel kämpfen gerade mit den Erinnerungen, dass sie ihre Eltern verloren haben und wie sich ihr Leben dadurch verändert hat. Zudem bekommen die Menschen seit Wochen mit, wie sich die Situation in Europa zuspitzt und hören die täglich ansteigenden Fall- und Todeszahlen. Freunde haben in den letzten Wochen vermehrt zu mir gesagt, „Wenn selbst ein Land wie Deutschland nicht mit dieser Krankheit klarkommt, wie sollen wir es jemals schaffen?“ Ich versuche immer, die Zahlen einzubetten, indem ich erkläre, dass die Bevölkerungszahl in Deutschland (und anderen Ländern Europas) deutlich höher ist und wer am stärksten betroffen ist. Wie sich die Situation in afrikanischen Ländern mit Mangelernährung, chronischer Malaria, vielen anderen Krankheiten – also einer vielfach geschwächten Bevölkerung – und einem unzureichenden Gesundheitssystem, das momentan kaum von Fachkräften des Auslands oder mit Materiallieferungen unterstützt werden kann, entwickeln wird, mag ich mir jedoch nicht ausmalen.
Unsere Sozialarbeiterin hat die Kinder von Salone Dreams seit Wochen schon immer wieder fürs Händewaschen sensibilisiert und wir haben alle mit einer Handwaschstation und Seife ausgestattet. Wir versuchen auch soweit es die Ausgangssperren zulassen, mit Lebensmitteln zu helfen, doch müssen wir die nächsten Wochen abwarten, wie sich die Situation weiterentwickelt.
Wenn ihr gerne mehr als die Familien unseres Projekts unterstützen möchtet oder weitere Handwaschstationen und Seife finanzieren möchtet, freuen wir uns über Spenden.
In diesen Tagen bin ich trotz der Einschränkungen und der Ungewissheit in Deutschland sehr dankbar, diese Zeit mit vielen Privilegien durchleben zu dürfen und wünsche auch euch diese Sichtweise, wenn euch zu Hause die Decke auf den Kopf fällt. Auch von dem unerschütterlichen Glauben der Sierra Leoner und ihrem Bewusstsein, dass jeder Tag wertvoll ist, können wir insbesondere in dieser Situation etwas lernen.
So wünsche ich im Hinblick auf das Osterfest gesegnete und frohe Tage voller Zuversicht.
Eure Hanna
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